Diesen Beitrag habe ich 2017 geschrieben, als ich gerade meine 200 h Yogalehrer-Ausbildung absolviert und mich direkt für die 300 h Weiterbildung angemeldet habe. Diesen alten Text wieder zu lesen hat mich daran erinnert, wie wertvoll die Ausbildungszeit war und wie nachhaltig sie meine Wahrnehmung, meine Yogapraxis und mein Leben beeinflusst hat.
Den Start des neuen Ausbildungsblocks im Frühjahr 2024 nehme ich zum Anlass, Meine Gedanken und Erinnerungen nochmals zu teilen (Details zur Ausbildung findest du im Link ganz unten).
Bei meiner Anmeldung zur Ashtanga Yogalehrer Ausbildung hatte ich weder ein konkretes Ziel noch eine Ahnung wohin mich dieser Schritt führen würde. Über die Jahre hatte ich mir eine solide Yogapraxis aufgebaut, die ich gern vertiefen wollte. Erwartungen an die Ausbildung hatte ich wenige, Widerstände jedoch einige: Körperkontakt war mir unangenehm, Intensivwochenenden in einer Gruppe waren eine Horrorvorstellung. Pranayama war mir langweilig und unterrichten wollte ich am Ende sowieso nicht. Meine Vorstellungen oszillierten irgendwo zwischen Hippiekommune und Bootcamp. Und welch eine Überraschung: Es sollte ganz anders kommen.
In der Begrüßungsrunde wurde schnell klar, dass die anderen Teilnehmer:innen ganz ähnliche Befürchtungen hatten. Eigentlich logisch, wenn 12 erwachsene Menschen in eine neue Gruppe zusammengeführt werden. Wir waren ein bunt gemischter Haufen: Männer und Frauen von groß bis klein, von stabil bis dünn, von beweglich bis steif, von fortgeschritten bis noch ein bisschen grün hinter den Ohren. Schnell stellte sich Erleichterung ein – andere waren auch nicht perfekt und allwissend, ich konnte mich also entspannen und getrost alles auf mich zukommen lassen.
Nach der Überwindung des ersten Schreckens stellte sich dann heraus, dass ich die ganze Sache im Vorfeld doch ein wenig unterschätzt hatte. Was ich zum Spaß nebenbei laufen lassen wollte, entpuppte sich als eine recht anspruchsvolle, vollwertige Berufsausbildung. Der Lehrplan war umfangreich und breit gefächert: Pranayama, Count, Anatomie, Alignment, Adjustment, Philosophie, Sanskrit und Chanting. Alle diese Bereiche gehören unter einen Hut und doch ist jeder einzelne eine Wissenschaft für sich. Die Verteilung auf verschiedene, spezialisierte Ausbildungslehrer:innen war optimal. Das brachte eine Tiefe in jeden der Bereiche, die jede einzelne Person kaum hätte vermitteln können.
Das Lernen wieder neu lernen
Es kam eine beachtliche Menge Stoff zusammen, die da in unsere Köpfe hinein sollte. Das letzte Mal, dass ich mich so intensiv mit etwas befasst hatte, lag viele Jahre zurück und meine grauen Zellen konnten sich nur langsam wieder an die Arbeit gewöhnen – ich musste tatsächlich zuerst das Lernen neu lernen. Allein den passenden Rahmen zu finden war ein Prozess. Am Schreibtisch, mit einem Buch vor der Nase lerne ich nur sehr schwer. Und alles, was ich auf diese Weise in meinen Kopf gelangt, ist am nächsten Tag auch schon wieder futsch. Das Stillsitzen und Fleißlernen war also schon mal nichts für mich. Dies sind meine Rezepte für effektives Lernen: ...
Bewegung
Wenn ich nachdenken muss, zieht es mich nach draußen. Luft, Licht und Bewegung bringen mir Entspannung, erfrischen meinen Geist und machen mich aufnahmefähig. Während der Ausbildungszeit nahm ich immer öfter Aufgaben mit auf meine Hundespaziergänge. Die eignen sich nämlich wunderbar zum Verinnerlichen von Sutren, Mantren und Countsequenzen – immer im Rhythmus der Schritte. So wurde mein Hund Basti auf unseren Gassirunden regelmäßig besungen, besprochen und durchgezählt – nicht selten auch zur Freude und Verwunderung anderer Spaziergänger:innen.
Pausen
Wenn ich viel lerne, brauche ich auch viele Pausen. Unter diesem Aspekt empfand ich die Ausbildungsstruktur über den relativ langen Zeitraum von 15 Monaten als echten Vorteil. Zwischen den Wochenend-Blöcken war immer genügend Zeit, das neue Wissen auszuprobieren, sacken zu lassen und auch mal durchzuatmen. Auch die Arbeitsunterlagen habe ich immer wieder mal zur Seite gelegt und ruhen lassen. Mir Zeit zu geben war ein wichtiger Faktor um mit Spaß bei der Sache zu bleiben.
Kennenlernen
Eine besonders harte Nuss war das Lernen des Anatomiestoffes. Die ganzen (lateinischen) Muskelnamen und -funktionen lesen sich nicht gerade wie ein Krimi. Hier kam ich irgendwann auf die Idee, mich buchstäblich mit den Muskeln bekannt zu machen. Ich holte den Stoff aus der Theorie in die Praxis und betrachtete die jeweilige Stelle an meinem eigenen Körper anstatt in den Anatomiewälzer zu schauen. So lernte ich meinen eigenen Körper nach und nach besser kennen: „Andreas – das ist Serratus. Serratus – das ist Andreas. Angenehm, was machst du so?” Auf diese Weise haftet das Wissen förmlich an und der eigene Körper wird zum perfekten Spickzettel.
Austausch
Zur Vorbereitung auf die Prüfungen traf ich mich regelmäßig mit einer Freundin aus der Gruppe. Zwischen gemütlichen Abendessen im privaten Umfeld fragten wir uns gegenseitig ab, diskutierten Unklarheiten weg, bauten Eselsbrücken und festigten so nach und nach unser Wissen. Während des Kochens erklärten wir uns gegenseitig die Yogawelt und was keiner von uns wusste, schlugen wir einfach nach. Dabei war nicht nur das entspannte Umfeld hilfreich, sondern besonders auch das laute Aussprechen und Wiederholen der Inhalte.
Kleine Schritte
Um dem anfangs recht unüberschaubar wirkenden Lernstoff den Schrecken zu nehmen, machte ich kleine Häppchen daraus. Jedes Mal wenn ich etwas Zeit hatte, pickte ich mir etwas heraus – immer nur eine Sache. Nicht das ganze Buch, nur eine Seite oder ein Kapitel. Nicht den ganzen Bewegungsapparat, nur einen Muskel. Nicht das ganze Mantra, nur eine Zeile. Nach und nach ließ sich gut darauf aufbauen und wie in einem Mosaik fügte sich früher oder später alles zusammen.
Praxis
Die Ausbildung veränderte natürlich auch meine eigene Yogapraxis. Einen besonders starken Einfluss hatte in dieser Hinsicht die Assistenzzeit bei Inke und Anna – ein sicherer, geschützter Rahmen um erste Unterrichtserfahrungen zu sammeln. Das feine Beobachten und Adjusten fremder, sehr unterschiedlicher Körper brachte nicht nur wertvolle Erfahrungen und mit jedem Mal mehr Sicherheit im Umgang mit Übenden aller Levels, es eröffnete mir auch immer wieder neue Blickwinkel auf meine eigene Praxis. Diese Erfahrungen helfen mir nachhaltig, mich selbst in Asanas viel feiner und differenzierter auszurichten.
Verliebt ins Lernen
Das meiste habe ich während der Ausbildungszeit über mich selbst gelernt. Zuallererst, mich ruhig mal von meinen Widerständen leiten zu lassen. Denn überall dort, wo es unbequem war, gab es für mich am meisten zu holen. Die verborgenen Ressourcen, die ich dadurch erschloss, nützten mir auch in vielen anderen Lebensbereichen. Ich war generell konzentrierter, aufnahmefähiger, wacher und klarer.
Doch die Abschlussprüfung bedeutete das vorläufige Ende dieser 15-monatigen Romanze mit meinen kleinen grauen Zellen. Ja genau, mit der Zeit hatte ich mich nämlich regelrecht verliebt ins Lernen. Auch wenn es nach der Prüfung zuerst eine Erleichterung war, nicht mehr lernen zu müssen, bekam ich bald Sehnsucht. Ich will immer weiter lernen, Neues entdecken, tiefer verstehen und vor allem inspiriert bleiben. Und deshalb habe ich mich direkt für ide anschließende Weiterbildung angemeldet.
Interessiert?
Meine Lehrerin Inke Shenar startet im nächsten Frühjahr den nächsten Ausbildungsdurchgang und ich bin wieder dabei – dieses Mal als Gastdozent für Sanskrit und Chanting.
Im Vorfeld wird es in der Serie Phönix on Air einen Info-Podcast zu diesem Thema geben, in dem Inke und ich Fragen beantworten, die Interessierte im Vorfeld einreichen können.
Was möchtest du gern wissen?
Schicke einfach eine E-Mail an inke@shenar.de